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Er erinnert sich noch genau daran, wie merkwürdig das war, als er als Kind auf dem Hof eines Freundes zu Abend aß. Die ganze Familie war um den Tisch versammelt und sprach das Tischgebet. Und noch bevor das muntere Reden und Essen begann, nahm die Mutter das Holzofenbrot und ritzte mit einem Messer ein Kreuz in den runden Laib. Dann schnitt sie es an. Ganz andächtig war dieser Moment. Er spürte wie nie zuvor: Dieses Brot, der gedeckte Tisch und unser Beisammensein ist ein Gottesgeschenk. Selten hat er so bewusst den ersten Bissen Brot geschmeckt, selten so die Gemeinschaft genossen.

Brot – das bedeutet in unseren Breiten so viel: Es gibt keinen Winkel der Welt, an dem es so viele Brotsorten gibt wie in Mittel- und Nordeuropa. Für mich ist der Einkauf beim Bäcker ein besonderer Genuss. Der Geruch von frischem Brot, die mit Backwaren gefüllten Regale, knuspriges Baguette oder dunkles Malzbrot, Feingebäck oder volles Korn - bei dem vielfältigen Angebot fällt die Auswahl schwer.

Brot ist Grundnahrungsmittel und doch schwingt so viel anderes mit: Nahrung, die Luft zum Atmen, das Dach über meinem Kopf, ja, selbst Gemeinschaft mit meiner Familie und Freunden sind lebensnotwendig wie Brot für mich. Wenn ich bete „unser tägliches Brot gib uns heute“, dann bete ich gerade um dies: Dass Gott mich und alle anderen Menschen mit dem, „was zur Leibes Nahrung und Notdurft gehört“, wie Martin Luther sagt, versorgt.

Und dass er auch das, was meine Seele braucht, nicht vergisst. Doch während die Bitte um das tägliche Brot mir eher als Dank über die Lippen kommt, ist sie für viele Menschen auf der Welt ein Schrei ums nackte Überleben, wie es viele ältere Mitbürger noch aus Kriegszeiten kennen. Das kann ich und das will ich nicht vergessen.

Denn für meinen Glauben hat Brot noch eine ganz anderer Qualität: In Brot und Wein kommt Gott heute zu uns. Ganz konkret, leiblich, in dem, was wir zum Leben brauchen. So lebenswichtig wie das Brot ist seine Liebe für uns. Wenn wir im Abendmahl gemeinsam das Brot brechen, dann ist das mehr als ein Zeichen. Weil sich Jesus Christus uns im Brot schenkt, können wir über unsere Grenzen hinweg Brot für einander werden: wenn wir Gemeinschaft haben, uns von unserer Freude und unseren Sorgen erzählen und aneinander Anteil nehmen.

Die Begegnung von damals hat er nie vergessen. Heute hat er selbst eine Familie, die zum Essen kommt und geht, wann sie will. Doch gemeinsame Mahlzeiten sind für alle ein Fest. Manchmal hält er inne, wenn er das frische Brot aus dem Topf holt, schlägt unbeholfen mit dem Finger ein Kreuz darüber und dankt leise Gott, der ihn so reich beschenkt hat. In diesen Momenten ist ihm ganz feierlich zumute.

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