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Ein Tag bei meinen Großeltern begann für uns Enkelkinder morgens mit einem festen Ritual. Gegen halb Sieben, während die Erwachsenen noch schliefen, schlichen wir Kinder hinunter in die Küche. Dort hatte Oma schon Tee gekocht und Opa unsere Tassen aus dem Schrank geholt. Zusammen mit unseren Cousins und Cousinen hockten wir im Schlafanzug auf der roten Küchenbank und genossen unsere Tasse Ostfriesentee. Jeder hatte eine Tasse mit besonderem Muster, die im Schrank auf uns wartete, bis wir zu Besuch kamen. Oma und Opa fragten und wir erzählten von unserem Alltag. Dann fragten wir und die beiden berichteten von früher.

Als wir älter wurden, schliefen wir länger. Das Teetrinken verschob sich nach hinten. Auch die Themen veränderten sich. Uns fielen die eingerahmten Sprüche neben den Fotos an der Wand auf. Es waren Psalmverse, die unseren Großeltern etwas bedeuteten. Wir staunten, wie viele Lieder und Texte die beiden auswendig konnten. Die beiden staunten über Konfirmandenfreizeiten heute.

Als wir Enkel zum Studium in alle Welt verstreut lebten, hielten unsere Großeltern die Verbindung. Hinter dem Glas des Küchenschrankes steckten jetzt Postkarten. Oma und Opa wussten genau, wer aus der Familie sich wo aufhielt. Auch sie schickten Karten. Ab und zu kam ein Psalmgruß per Post ins Haus geflattert.

Inzwischen sind wir Enkel von damals erwachsen und viele von uns haben selber Kinder. Jetzt ahnen wir, dass nicht nur wir, sondern auch unsere Eltern die ruhige Stunde am Morgen genossen haben. Wir wissen, dass unsere Großeltern die Kraft hatten, mit uns den Tag so gemütlich zu beginnen, weil sie sich nicht mehr die Nächte mit uns um die Ohren schlagen mussten. Sie hatten die Muße, die sie bei ihren eigenen Kindern nicht hatten. Sie konnten die Zeit mit uns genießen, ohne für alles verantwortlich zu sein.

Eine Tasse Tee genieße ich auch heute noch gerne. Dann denke ich an meine Großeltern. Sie gehören für mich zu den Vätern und Müttern meines Glaubens.

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