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Drei Freundinnen lassen mit einem Gläschen Sekt alte Zeiten hochleben. Irgendwann kommt natürlich die Rede auf abwesende Ehemänner. Eine der Damen, eine attraktive Mittvierzigerin, seufzt in Gedanken an das bevorstehende Wochenende und die so genannten ehelichen Pflichten: "Samstag – mein Gott! Da weiß man immer gleich, was los ist." Die zärtlichen Annäherungsversuche des Gatten, in ihrem Handlungsablauf offensichtlich sofort als solche identifizierbar, sind nach zwanzig Jahren zur ritualisierten Nerverei verkommen.

Manch anderen säkularen und kirchlichen Ritualen ergeht es ebenso: Sie werden als vermeintlich ewig und unveränderlich installiert, bis Mann und Frau merken, dass Begründung und Geschehen nicht mehr recht zusammen passen wollen, der Sinn des Ganzen nicht mehr einsichtig ist oder die ganze Angelegenheit inzwischen schlicht antiquiert, unangemessen wirkt. Immer gibt es in solchen Fällen ein Vorher und ein Nachher, gute Zeiten - schlechte Zeiten.

Tut man nichts gegen den befremdlichen Abstand zwischen Lebenswelt und Ritual, wird es zur leeren Hülse und verliert seinen ursprünglichen Begegnungscharakter. Das Wesen eines Rituals ist die Überschreitung zeitlich-irdischer Grenzen. Es antwortet auf sichtbare, festgelegte Weise wiederholt auf Begegnungen mit dem Heiligen – mit der Transzendenz, die von sich aus auf den Menschen und die Welt zugeht, sich mit ihnen verbindet.

Gott wird Mensch – Weihnachten feiert alle Jahre wieder den vertrauten Stallgeruch des Schöpfers. Gott stirbt am Kreuz und aufersteht am dritten Tag - Karfreitag und Ostern sind regelmäßige Antwort auf unmenschliches Leiden und übermenschliche Erlösung. Das ganze Kirchenjahr lässt sich auf diese Weise durchbuchstabieren. Selbst der oft geschmähte Alltag kann sich angemessenen Zelebrierens erfreuen. Ein zärtliches Morgenlied für die Geliebte, albern gereimte E-Mails zum Arbeitsbeginn des Ehemanns, genüsslich morgenmuffelige Zeitungslektüre, Abschieds- und Gute-Nacht-Küsse, Sekt am Tag des Kennenlernens, das Datum einer schweren Operation als zweiter Geburtstag, Blumen auf das Grab am Todestag, Wiedersehenswünsche vor der Abreise, ein behutsames Segenswort, wenn die Kinder in die Schule gehen, wechselnde Tischgebete ....

Den Einfällen sind keine Grenzen gesetzt. Dem Ein-Fall des Geistes, der zur sinnvollen Deutung biographischer Highlights oder Downlights verhilft, auch nicht. Rituale lassen sich phantasievoll, mit Liebe und in Freiheit entwickeln und inszenieren. Sie bleiben lebendig, wenn sie immer wieder zu denken geben. Auch im Blick auf mögliche Wonnen des bevorstehenden Wochenendes.

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