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Er war gerade 18 Jahre - und verkörperte ein ganzes Bündel von Klischees, wie er da vor mir stand: Blondgefärbte, im Nacken lange, gekräuselte Haare, ein T-Shirt, das die muskulösen Arme präsentierte und eine knallenge Leopardenhose, die einen auch über die Beschaffenheit der Oberschenkel und benachbarter Gegenden nicht im Unklaren ließ. Mutter Friseuse, Vater Arbeiter. Mit Vorliebe hörte er Hard Rock und Heavy Metal. Seine Kumpels waren Metzger, Schlosser und Bauarbeiter, die schon mal kräftig zulangten, wenn ihnen einer dumm kam.

Da stand er also, mitten auf dem Schulhof vor einer grandiosen Seekulisse, Markus mit Namen, wie der Evangelist. Er machte ein ausgesprochen bedenkliches Gesicht, weil der Direktor und ein Großteil der Lehrerschaft ihn von der Schule, einem renommierten Gymnasium, verweisen wollte. Markus hatte auf einer Klassenfahrt einem höheren Sohn eine gelangt, dass der Nasenbluten bekam. Der Schlag war Markus Antwort auf stundenlange Hänseleien wegen seiner Kleidung und der Friseusenmutter – das ewige Reden, meinte er verlegen, sei so seine Sache nicht.

Vor mir stand er, weil ich für ihn mit Worten kämpfen wollte. Meine eigene bescheidene Herkunft spielte da wohl mit, eine grundsätzliche Sympathie mit allen, die keine goldenen Löffel in die Wiege gelegt und Bachkantaten vorgespielt bekommen, sondern sich im Leben mühsam durchbeißen müssen. Markus war obendrein – zum größten Erstaunen aller – ein As in Religion, dem Fach, das ich lehrte. Niemand war so bibelfest wie er. Ich konnte nicht zulassen, dass mein peinlicherweise prügelnder Musterschüler seiner Zukunftsperspektiven beraubt wurde.

Treuherzig sah er mich an, besser: auf mich herunter und ließ meine Mahnrede über sich ergehen. Er wusste, dass ich ihm fortan vertrauen können musste, wenn ich mich jetzt für ihn stark machte. Seufzend versprach er, im Notfall zu argumentieren, statt auszuholen. Der Schulverweis wurde zurückgenommen. Markus hörte weiter wummernde Musik und kleidete sich so provokativ wie möglich. In Religion behielt er bis zum Abitur einen Einser, schnöselige Mitschüler schnitt er fortan hoheitsvoll. Heute ist er Bankfachmann.

„Werft euer Vertrauen nicht weg“, heißt es im Hebräerbrief, „welches eine große Belohnung hat“. Eine himmlische Verheißung, der nicht jeder trauen mag. Ich schon.

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