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Ist der Mensch frei? Oder ist Freiheit nur eine Fiktion? Immer wieder versuchen Naturwissenschaftler nachzuweisen, dass wir neurobiologisch determiniert sind und von der Freiheit des menschlichen Willens nicht die Rede sein kann. Wenn dem tatsächlich so wäre, dann würden wir uns lediglich einbilden, frei entscheiden zu können. In Wirklichkeit jedoch spulen körperliche Prozesse ein Programm ab, auf das unser Geist keinen Einfluss hat.

Als Biologin weiß ich, dass man das so sehen kann. Man kann es aber auch anders sehen. Es macht den Menschen aus, dass er verschiedene Perspektiven auf sich selbst einnehmen kann. Auch, wenn es immer wieder scheinen mag, als wären wir durch biochemische und physikalische Gesetzmäßigkeiten festgelegt, ist das doch nur eine Sicht der Dinge. Die andere Sicht der Dinge hat der Philosoph Peter Bieri einmal wie folgt auf den Punkt gebracht: „Freiheit ist das Gefühl, in Übereinstimmung mit den eigenen Überzeugungen leben zu können.“ Wer dieses Gefühl hat und wer in einer Gesellschaft lebt, die solche Gefühle begünstigt, ist frei.

Für diese Freiheit trete ich als evangelisch-lutherische Christin ein. Natürlich fallen mir dazu sofort die beiden berühmten Sätze aus Martin Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ ein: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Freiheit im evangelischen Sinn ist die Freiheit von Mächten, Gewalten und Gesetzmäßigkeiten, die uns unserer Menschenwürde zu berauben suchen. Freiheit im evangelischen Sinn ist die Freiheit, für Andere da zu sein und dafür zu sorgen, dass auch sie frei sein können. Und Freiheit im evangelischen Sinn ist die Freiheit zur Veränderung und die Befreiung aus verkrusteten Denk- und Verhaltensmustern.

Als Synodalpräsidentin, die zugleich Biologin ist, würde ich sagen: Freiheit ist geradezu die DNA des Protestantismus. Die große Aufgabe der evangelischen Kirche 500 Jahre nach der Reformation besteht darin, die in dieser DNA codierten Informationen so zu katalysieren, dass die Menschenfreundlichkeit Gottes in einer freien Welt Gesicht und Gestalt gewinnt.

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