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„Sehen, Fragen stellen und auf Fragen antworten – das ist der Inhalt unseres Lebens“ – so fasste der jüdische Kinderarzt und Pädagoge Janusz Korczak (1878-1942) eine wesentliche Erfahrung zusammen, die ihm in der Begegnung mit Menschen besonders wichtig war: Er schaute und hörte genau hin, er stellte Fragen, er stellte sich vor allem den Fragen der Kinder und hielt auch das „Nichtwissen“ aus. Auf die täglichen Fragen und Zweifel antwortete er immer wieder mit einer Gegenfrage oder einfach mit „Ich weiß nicht“.

Dieses „Ich weiß nicht“ ist nicht mit Gleichgültigkeit zu verwechseln. Einfühlsames Wahrnehmen, bedingungslose Zuwendung und eine Offenheit, die bis heute zum Weiterdenken einlädt, gehören untrennbar dazu. Korczak entdeckte darin eine große Lebendigkeit, eine schöpferische Kraft und eine Freude am Staunen, wie sie vielleicht nur die sehnsüchtig Suchenden und die leidenschaftlich Liebenden erfahren können.

Auch Jesus beherrschte diese besondere Kunst des Fragens als Ausdruck seiner liebevollen Zuwendung den Menschen und der Welt gegenüber. Oft wurde er um Antwort gebeten und oft antwortete er so, dass sich die Fragenden mit neuen Fragen konfrontiert sahen: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“, gab er zu bedenken, als die Schriftgelehrten ihn mit der Ehebrecherin auf die Probe stellen wollten.

Die Geschichten der Bibel sind gerade deshalb von zeitloser Aktualität, weil in ihnen mehr Fragen als Antworten stecken. Wer sich davon inspirieren lässt, bewegt sich in jüdischer wie evangelischer Tradition, sucht den Dialog und muss sich vor den Widersprüchen und Anfechtungen des Lebens nicht in billige Antworten retten. Was bliebe vom Glauben übrig, wenn wir keine Fragen mehr hätten?

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