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Sein Körper ist grell-grün, muskelbepackt, riesengroß. Er bleckt die Zähne, die Augen sind zu grausamen Schlitzen verengt. HULK – der Superheld aus dem Comic. Dieser Hulk steht überlebensgroß in einem taoistischen Tempel in Taiwan. Bei Reisen in den asiatischen Inselstaat habe ich einige Götter und Gottheiten schon gesehen – schließlich hat jede Region ihren eigenen Gott, der bei Tempelfesten glühend und lautstark – teilweise mit Karaoke-Gesang - verehrt wird.
Aber Hulk in einem Tempel? Für mich eine Riesenüberraschung, für alle anderen, die im Tempel beten, eine Sensation. Vor allem für die jungen Tempelbesucher. Götter und Superhelden – kein Problem für fromme Taoisten.

Paulus und sein HULK-Erlebnis
Andere Götter und auch Götzen sind für Christen tabu. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir – so steht es in den Zehn Geboten. Auch in der frühchristlichen Zeit wird vor fremden Gottheiten gewarnt.
Und Paulus hatte wohl auch seine HULK-Erlebnisse. Vor 2000 Jahren zog er durch Griechenland und begegnet unzähligen Gottes-Bildern und Göttern. Die frommen Athener bauten überall prächtige Altäre und Tempel. Und sie gingen auf Nummer sicher: Um wirklich keinen Gott zu vergessen, widmeten sie dem unbekannten Gott einen Altar. Paulus witterte Unsicherheit und mangelndes Wissen bei den Griechen über den wahren Gott. »Ich bin herumgegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt.« (Apostelgeschichte 17,23)
Paulus geht es um den einen Gott. Den Schöpfergott. Gott, der sich durch Jesus sichtbar gemacht hat, dem wir vertrauen können. Ein klares Beziehungsangebot: Jesus der Mittler zwischen Gott und Mensch.

»Das muss du wissen, dass dich Gott durchweht von Anbeginn«
Rainer Maria Rilke war die Mittlerrolle Jesu fremd. Abfällig spricht er vom „Angestellten Gottes“. Aber der Lyriker ist Zeit seines Lebens begeisterter Bibelleser. Er liebt Kapellen und Kirchen: »Da sitz ich oft in einer ganz allein und die Tränen kommen mir aus Glück über die innige Stille.«
Rilke sucht Gott, will ihn finden und erfahren. Rilke sucht nicht nach Vorbildern, den Heiligen und Super-Helden des Glaubens - also den Hulks der Kirchengeschichte. Er sucht eigene innere Erfahrung. Rainer Maria Rilke hasst feste dogmatische Formen und vermisst die Experimentierfreudigkeit in der christlichen Religion. »Ja, wenn ich zugleich allgemein und wahr sein wollte, so müsste ich gestehen, es sei mir doch um nichts anderes zu tun, als in meinem Herzen diejenige Stelle zu entdecken und zu beleben, die mich in Stand versetzen würde, in allen Tempeln der Erde mit der gleichen Berechtigung das jeweils dort Größte anzubeten« - Paulus würde das nicht gefallen.

Die Saite zum Klingen bringen
Ist Rainer Maria Rilke ein ungläubiger Mensch? Vermutlich nicht. Er schlägt in mir eine Saite an, die vielleicht auch bei den taoistischen Hulk-Verehrern klingt. Eine Freude am Experiment in der Gotteserfahrung. Gott dort zu suchen, wo ich ihn am wenigsten erwarte. Ihn mal nicht mit dem Vaterunser anzubeten, sondern die Seele singen zu lassen. Die Kraft Gottes zulassen und eine neue Seite an ihm entdecken. Und immer will ich eine Ahnung spüren, dass Gott durch seinen Heiligen Geist bei mir ist: »Das musst du wissen, dass dich Gott durchweht von Anbeginn.«

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