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Es ist ein Sonntagnachmittag im Frühjahr in München. Am Sendlinger Tor sind wir umgestiegen und haben Glück gehabt. Wir fahren mit einer alten Straßenbahn in Richtung Mariahilf-Platz. Dort ist Frühjahrs-Dult. Eine Vielzahl von Marktständen bietet Haushaltswaren und allerlei Krims-Krams an. Daneben findet sich das eigentliche Ziel, das mein kleiner Sohn Emil und ich ansteuern - die Karussells für Kinder. Ein erster Höhepunkt des Nachmittags ist nun die Fahrt. Auf der Strecke zur Dult verkehren immer wieder alte, historische Straßenbahnwagen.

Seit vielen Wochen hatte Emil mich gefragt, wann er denn wieder sein Lieblingskarussell fahren würde und ob wir mit einer "alten Straßenbahn" dort hingelangen könnten. Erleichtert sitze ich ihm nun gegenüber und eine alte Straßenbahn bringt uns zu unserem Ziel. Er strahlt über das ganze Gesicht und redet unentwegt, erklärt die Haltestellen, deutet auf Kurbelvorrichtungen zum Bremsen. Der Wagen ist recht voll. Viele nutzen den herrlich sonnigen Frühlingstag zu einem Ausflug in Richtung Dult. Da fragt mich Emil: "Du, Papa, die Straßenbahn ist doch schon alt, oder?" Ich antworte ihm, dass sie bestimmt schon 50 Jahre alt sei, aber noch prima fahren würde. Er bleibt bei seinem Gedanken: "Wenn die alt ist, muss sie doch bald sterben. Stirbt die Straßenbahn dann bald?"

Die Menschen um uns, die Emil bisher recht kurzweilig mit seinen Erklärungen unterhalten hatte, lächeln teilweise, manche sehen aus dem Fenster. Ich antworte ihm, dass die Straßenbahn irgendwann einmal nicht mehr fahren kann und dann verschrottet wird. Abends, als wir nach einem wunderbaren Ausflugstag müde zu Hause sind, merke ich das Besondere der kindlichen Frage am Nachmittag. Sie geht mir immer noch nach. Mitten in einen lebendigen Frühlingsnachmittag stellt einer die Frage nach der Sterblichkeit. Gerade in dem Augenblick, als ich es ganz und gar nicht vermutet habe, kommt auch die Sterblichkeit und Endlichkeit meines eigenen Lebens zur Sprache.

Die "50 Jahre" sind so fern nicht mehr und die Frage, wann ich einmal nicht mehr "fahren" kann, schleicht zunehmend in den Sinn. Vielleicht ist dieser Nachmittag gerade deswegen so in meinen Gedanken fest geblieben. Auf dem Weg ins pralle Leben der Dult mit ihren Ständen und Fahrgeschäften bin ich an die Sterblichkeit erinnert worden, hat mich der dreijährige Knirps mit Schirmmütze und kleinem Rucksack daran erinnert, dass jedes Leben in einem Bogen verläuft, einen Anfang und ein Ende hat. Es liegt nicht in der eigenen Hand. Vielleicht ging es an jenem Nachmittag mehr Menschen in unserem Straßenbahnwagen so. Dass die so deutliche Frage nach dem Ende des Lebens dem Leben an diesem Nachmittag die rechte Bedeutung geschenkt hat. Vielleicht braucht es dazu auch die kindliche Unbekümmertheit.

Übrigens hängen die Sterblichkeit, das Loslassen-Können und das Reich Gottes zusammen. Jesus verweist darum auf die Kinder als "Lehrmeister" für das Reich Gottes. Für sie gehören das Leben und das Sterben zusammen. Und nur wer um die eigene Sterblichkeit weiß, kann auf das Reich Gottes hoffen und dieses Leben genießen. Im Herbst ist wieder Kirchweih - Dult. Wir werden natürlich hinfahren und darauf hoffen, eine "Alte" zu erwischen.

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