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Der Grundtenor der Zehn Gebote ist Liebe. Liebe zum Leben. Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hat sie einen „Katalog von Menschenpflichten“ genannt. Das ist sicher richtig – wenn mir selber auch lieber ist, die Zehn Gebote als einen Katalog von Menschenrechten zu verstehen. Denn alles, was auf das erste Gebot folgt, auf die Präambel sozusagen, das hilft Menschen zum Atmen, zum Frei- und Frohsein. „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt habe.“ (2. Mose 20, 2). Das ist der Vor-Satz der Zehn Gebote. Sie beginnen mit einer großen Freiheitserklärung. In Gottes Namen, mit Gottes Hilfe sind wir freie Menschen. Freiheit macht die Würde des Menschen aus. Ich buchstabiere die Zehn Gebote im Blick auf Menschenwürde durch:

Das erste Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Gott unangefochten an die erste Stelle setzen, heißt, die Welt und ihre Strukturen nicht zu vergötzen, sich nicht vor ihnen zu demütigen, sondern sie mutig zu gestalten.

Das zweite Gebot: „Du sollst dir kein Bildnis machen. (…) Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.“ Sich kein Bildnis zu machen ist die Ermutigung, Gott, sich selbst und andere nicht fest zu legen, sondern sich geistige Bewegung zu gönnen, damit individuelle Entwicklung und gesellschaftliche Prozesse möglich sind. Seinen Namen nicht missbrauchen, bedeutet, Ehrfurcht vor dem Heiligen zu haben, den Ursprung und das Ziel eines jeden einzelnen Lebens zu achten.

Das dritte Gebot: „Du sollst den Feiertag heiligen. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber der siebte Tag ist der Tag des Herrn. Am siebten Tag sollst du ruhen.“ Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen, erzählt die Bibel. Am siebten Tag ruhte er. Selbst der Schöpfer macht mal Pause. Da müssen wir nicht meinen, die Welt hört auf sich zu drehen, wenn wir einen Tag Ruhe geben. Den Feiertag heiligen ist die Chance, zur Besinnung zu kommen, zu sich, zu anderen und zu Gott zu finden, ohne sich kaputt zu arbeiten und in der Alltagshektik verloren zu gehen.

Das vierte Gebot: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ Eltern achten meint den Respekt vor denen, die uns voran gegangen sind und die wir nicht ohne Schaden für uns selbst als alt und wertlos betrachten können.

Das fünfte Gebot: „Du sollst nicht töten.“ Das Gebot, nicht zu töten erinnert an die Heiligkeit des Lebens und daran, dass man töten kann, auch ohne den Körper zu vernichten: Durch Worte, durch gering- und abschätzige Beurteilungen, durch Marginalisierung, die einzelne und Gruppen an den Rand der Gesellschaft drängt. In diesen Zusammenhang gehört auch das achte Gebot, nicht zu lügen, sondern die Wahrheit zu sagen und, wie Luther das formuliert hat, „alle Dinge zum Besten kehren“ – wenn Menschen denunziert und durch gemeine, verleumderische Reden bloßgestellt werden.

Das sechste Gebot „Du sollst nicht ehebrechen.“ Die Ehe nicht zu brechen beinhaltet das Wissen um Verletzungen und Kränkungen, um Brüche im Leben; Leid und Kummer auch bei den Kindern, die zu Scheidungswaisen werden.

Das siebte Gebot „Du sollst nicht stehlen“ und das neunte und zehnte Gebot, nicht zu begehren, was andere haben, ist eine Mahnung vor ungebremstem Materialismus und Besitzgier, davor, das eigene Leben dem Haben statt dem Sein zu widmen.

Im Hebräischen, der Sprache des Alten Testaments, heißt es wörtlich übersetzt nicht „du sollst nicht“, sondern „du wirst nicht“. Die Zehn Gebote beschreiben keinen Befehl, sondern eine selbstverständliche Folge der Freiheit, die Gott schenkt. Jedes Gebot ist dazu da, dass wir diese Freiheit nicht verlieren, sondern schützen und leben – unsere Freiheit und die der anderen.

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