e-nikolaus

Nachricht 04. Dezember 2023

e-nikolaus

Mit einem anderen Blick auf den Jahreszyklus möchten wir vom Projekt e-wie-evangelisch.de auf kirchliche und diakonische Kampagnen hinweisen und mit einem Text zum Nachdenken den Blick auf das besondere und einzigartige im Leben von Christinnen und Christen hinweisen.

Ein Gedanke

Leider kommt er nicht mehr persönlich. Irgendwann hatten die Kinder ihn enttarnt: Sie stellten fest, dass der Nikolaus in Wahrheit Bernhard hieß und kein Unbekannter war. Weil es sich um einfühlsame Kinder handelt, sagten sie das ihren Eltern nicht sofort. Die schienen den Betrug nämlich nie zu bemerken... Was ist dran am Nikolaus? Gibt's ihn - oder gibt's ihn nicht? Gebeine eines Heiligen Nikolaus liegen jedenfalls im italienischen Bari. Wie sie dort hinkamen - das ist eine echte Räuberpistole. Seeräuber stahlen die prominenten Reliquien vor knapp 1000 Jahren in der Türkei und stifteten die Beute der Kirche zu Hause. Seit kurzem rührt sich aus der Türkei Gegenwind: Eine "Santa Claus Stiftung" in Demre, wo der Nikolaus einst Bischof war und an einem 6. Dezember gestorben sein soll, hat die Knochen zurückgefordert. Die Chancen auf Rückgabe stehen freilich schlecht. In der wohlsortierten katholischen Heiligenwelt ist der Nikolaus etwas Besonderes: Wie St. Martin gilt auch der Nikolaus als "apostelgleich". Höher hinaus geht's für einen Heiligen kaum, noch dazu für einen, der nicht als Märtyrer, sondern eines natürlichen Todes gestorben ist. Martin Luther hielt nichts von dem so innig verehrten Heiligen Nikolaus, der schon im Mittelalter den Kindern süße Geschenke brachte: "Got kennet (...) Niclaß bischoffe nit!", wetterte er. Und führte stattdessen das Christkind als Gabenbringer ein. In Holland als "Sinterklaas" bekannt, schaffte es der Nikolaus über den Atlantik in die neue Welt. Aus "Sinterklaas" wurde "Santa Claus", der sich endgültig vom katholischen Heiligenkalender und vom 6. Dezember emanzipiert hatte. Aus der Bischofsmitra wurde die Bommelmütze, der Weg zum Weihnachtsmann war frei. Der religiös neutralisierte "Weihnachtsmann" hat sich als kapitalismuskompatibel erwiesen. Um seine weltweite Verbreitung hat sich besonders die Firma Coca-Cola verdient gemacht. Hierzulande beginnt der Mutant das Original so sehr in Bedrängnis zu bringen, dass sich Initiativen zum Schutz des Nikolaus gebildet haben. Sie fordern "weihnachtsmannfreie Zonen". Aber vielleicht steckt der Schlüssel im griechischen Namen des Heiligen: "Siegen" und "Volk" - beides steckt im Niko-Laos. Dem Nikolaus muss in seiner Abwehrschlacht gegen seinen Klonmutanten also nicht Bange sein. Bei unseren Kindern ist er der Sieger. Die glauben trotz der Nikolaus-als-Bernhard-Enttarnung nicht nur weiter unbeirrt ans Christkind. Nein, irgendwie hat sich auch ihr Nikolaus-Glaube auf diese Ebene des "Unfassbaren" emporgehoben. Denn die Wahrheit des Sich-beschenkt-Fühlens, die bleibt. Vermutlich bis wir sterben.

Markus Springer