"Es geht so nicht weiter. Ich muss etwas ändern." Wer so spricht, steht an einem Wendepunkt. Was schon lange rumort, schief läuft, quält oder einen verzweifeln lässt - endlich ist es klar erkannt. Veränderung steht an. Aber unweigerlich stellt sich in solchen Situationen immer die Frage, ob man nicht doch lieber alles beim Alten lässt, bevor man das Neue mit allen Konsequenzen wagt. Die Reformation ist ein beeindruckendes Beispiel mutiger Veränderung. Der anschaulichste Wendepunkt ist Luthers Auftritt vor dem Kaiser. Das war am 17. und 18. April 1521 auf dem Reichstag in Worms. Luther hatte entdeckt, dass Gott den Menschen leidenschaftlich liebt, ihn verlässlich umgibt und ihm irdisches und ewiges Leben schenken möchte. Das stand im Gegensatz zu Lehre und Praxis der damaligen Kirche und forderte sie heraus. Die Folge war, dass Luther vom Papst gebannt wurde. Nun sollte er vor dem Kaiser einlenken und endlich Ruhe geben. Die Situation war mehr als brenzlig. Bei geringstem Widerstand drohte ihm die Reichsacht und das bedeutete, dass jeder ihn ungestraft umbringen konnte. Luther wusste, worum es damals in Worms ging. In einem Brief an seinen Beichtvater und Freund Johannes von Staupitz schreibt er: "Bisher ist in dieser Sache nur gespielt worden, jetzt wird es ernst. [...] Bete für das Wort Gottes und für mich; ich werde von diesen Fluten mitgerissen und umhergeworfen." Wie ein Ertrinkender scheint er sich zu fühlen. Er hat Angst vor dem, was kommen mag. Dennoch hat Luther in Worms nicht klein beigegeben. Unmissverständlich hat er dem Kaiser gesagt, dass es in dieser Sache keinen Weg zurück gibt und dass er nichts widerrufen kann. Am Ende seiner Rede spricht er: "Gott helfe mir. Amen." In einer der schwierigsten Situationen seines Lebens setzt Luther alles auf eine Karte. Er vertraut allein auf Gott und sein Vermögen. Damit weist er die mächtigen Autoritäten der damaligen Zeit in ihre Schranken. Sie mögen groß und einflussreich sein, aber Gott ist größer. Der Kaiser hat damals über Luther und seine Anhänger die Reichsacht verhängt, aber das hatte letztendlich keine Auswirkungen. Nach Worms war die Reformation nicht mehr aufzuhalten, sie hat sich durchgesetzt und die damalige Welt verändert. An den Wendepunkten des Lebens entscheidet sich manches. Und hin und wieder gelingt auch mehr, als sich nur irgendwie halbherzig zu arrangieren. Und dann darf auch gestaunt werden, zu welcher Freiheit wir, mit Gottes Hilfe, fähig sind.